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7.10.1780
Jever
In Memoriam Friedrich August von Davier

7.1.1814
Breda
Faksimile des Briefes
Münster, den 15. Dez. 1813

Bester Vater!

Endlich, da auch mein geliebtes Vaterland dem blutgierigen Tyrannen entrissen, ergreife ich mit seeliger Freude die Feder, um einmal nach langer, langer Trennung mein Herz dem geliebten Vater auszuschütten. Warum ich nicht eher an Sie geschrieben, werden Sie deuten können! Ich wollte auch nicht den entferntesten Anlaß geben, Sie in mein Schicksal mit zu verweben. Wie auch immer mein Vaterland über mich urtheilen mag, ich habe gehandelt, wie ich als Mann handeln mußte, der unbestechliche Richter, mein Gewissen, spricht mich frei, in tausenderley Gestalten habe ich dem Tod muthig in's Auge gesehen und wenn es hätte sein sollen, getrost und geläutert von der Gemeinheit des Lebens würde ich vor dem gestrengen Richter dort oben getreten sein. In der Völkerschlacht bei Leipzig war unser Bataillon auf eine Wiese aufmarschiert, die durch den Fluß sich rettenden Franzosen wurden so wie sie an's Ufer herankletterten von unseren Scharfschützen niedergeschmettert. Endlich wurde eine Batterie gegen uns aufgefahren und um und neben mich stürzten meine Waffenbrüder nieder, ruhig erwartete ich in jeder Stunde die tötende Kugel, und wer in solchen Momenten seine Fassung nicht verliert, steht doch wohl gerechtfertigt vor Gott und Menschen da. Gott schützte mich und ich ward auf dem Schlachtfelde zum Officier gemacht. Was ich jetzt bin, bin ich durch mich selbst.

Unter dem Namen Teutschmann war ich als gemeiner schwarzer Husar in Dienste getreten. Im Frühjahr bei Hof wurde ich Unterofficier und nachdem ich bald darauf bei Kitzen tödlich verwundet und gefangen wurde, nachher mich aber mit Hülfe der drei Fräulein von Braun mich ranzionierte, Wachtmeister. Als Wachtmeister focht ich im Mecklenburgischen und in jenen Schlachten bei Großbeeren und Dennewitz. In diesen Schlachten verlor ich drei Pferde und da es mir an Mitteln fehlte mich das vierte anzuschaffen, sollte ich in's Depot geschickt werden und dort auf Remonte warten. Ich bat jedoch, daß, wenn ich auf der Stelle kein Pferd erhalten könne, mich lieber zur Infanterie zu versetzen, ich reussierte und trat als Oberjäger bei den Hellwigschen Jägern ein. In der Schlacht bei Leipzig wurde ich Unter-Lieutenant und vor einiger Zeit in Halberstadt Oberlieutenant. Ich bin zum eisernen Kreuz vorgeschlagen und es wird mir nicht fehlen, bald eine Compagnie zu erhalten. Von dem Augenblick als ich Officier geworden war, nahm ich meinen rechten Namen wieder an. Wie nach der Schlacht bei Leipzig die Überbleibsel unseres Regimentes aufmarschiert waren, ritt der Kaiser Alexander und der König von Preußen die Linien herunter, bei der Tete jedes Regimentes hielten sie stille und dankten mit entblößten Häuptern den Siegern.

Dann formirte jedes Regiment einen Kreis und betete. Ich trat hervor und redete die beiden Befreier Deutschlands an und nachdem ich den Kaiser Alexander mit kurzen Worten meine Herkunft und mein Schicksal erzählt, sagte er zu mir:
"Wenn Sie nach dem Kriege in meine Dienste treten wollen, werden Sie mir willkommen sein, sollen Sie aber im Civilstand in Ihr Vaterland zurückkehren, so wenden Sie sich geradezu an mich, erinnern Sie mich an heute und ich werde für Sie sorgen."
Auch im Preußischen würde ich nach dem Kriege zufolge des Königlichen Edicts versorgt werden, wenn ich auch nicht Soldat bleiben wollte. Man kann aber immer nicht wissen, wie es in der Welt gehen kann, ich halte es mit der Gegenwart.

Wie ich nach der Schlacht bei Dennewitz Gefangene nach Berlin eskortiert hatte, hörte ich, daß der Herzog von Oldenburg da sei. Ich ging zu ihm und empfahl mich seiner Gnade. Der Herzog war sehr gütig gestimmt und versprach mir, wenn er sein Land wieder erhielte, an mich zu denken. Ich habe daher jetzt an ihn geschrieben [hier der Text dieses Briefes] und ihn gebeten mir bei dem von ihm wahrscheinlich zu stellenden Contingente eine Compagnie zu geben. Der Major von Hellwig hat ein Zeugnis meines Betragens beigelegt. Die Ursachen dieses Schrittes sind folgende: Es kann jetzt unerwartet Friede werden und da dann die Preußische Armee reducirt werden muß, so wird ein schlechtes Avancement eintreten. Ich wünsche jetzt mein Leben hindurch Soldat zu bleiben und bin ich bei Beendigung des Krieges Kapitain in Oldenburgischen Diensten, so wird es mir nicht fehlen, als Major in Preußische Dienste treten zu können und endlich sehne ich mich danach für meinen lieben Louis mehr tun zu können.

Nach der Schlacht bei Dennewitz marschirten wir durch Coswig, ich eilte zur Fürstin, sie war sehr gnädig gegen mich und ließ mir durch den Geheimrath Kalisch 10 Louisdor zum Geschenk überreichen.

Während des Waffenstillstandes nahm ich Urlaub um meinen Louis, den ich in Zerbst beim Pastor Bienengräber untergebracht hatte, zu besuchen. Ich fand Zerbst vom Feinde besetzt, schlich mich daher durch die Vorposten verkleidet durch und nahm meinen Louis mit nach Prizke zum Oberamtmann Tannen, dort verlebten wir seelige Tage. Tannen schenkte mir 6 Louisdor und seine Frau completirte meine Wäsche, und beide versprachen, für meinen Louis fortan zu sorgen. Solche Menschen im Unglück zu finden ist der Himmel auf Erden.

Wird Jever auch ein Contingent stellen und Ostfriesland? Die Menschen werden doch endlich einmal sich der freien Friesen würdig zeigen und nicht alles mit Geld aufwiegen wollen? Sie verdienten bei Gott sonst nicht Teutsche - Preußen zu sein, der Name Preußen ist jetzt ein heiliger Name! Unsere Märsche sind lauter Triumpfzüge. Alles empfängt uns mit Jubel - es ist ein seeliges Gefühl in diesem heiligen Kampfe mitgekämpft zu haben. Schreiben Sie mir doch, was Jever und Ostfriesland thun werden, ich würde durch die Fürsprache des Major von Hellwig bei dem freien Könige der Bremen [Text unklar], gewiß dort sehr vortheilhaft angestellt werden können.

Unser Einzug in Halberstadt war einzig. Der Einzug währte vom Thor bis zum Markt 3 Stunden, am Thore eine prächtige Ehrenphorte, Kanonensalven begrüßten uns, alle Straßen mit Blumen gestreut, und aus allen Fenstern wurden Blumen auf uns herabgeworfen, wir marschirten nicht ein, wir wurden getragen. Wie wir vor dem Rathause aufmarschirt waren, wurde der preußische Adler aufgezogen und alles stimmte mit entblößtem Haupte bei Pauken und Trompeter das Lied an "Herr Gott Dich loben wir".

Der graueste Held konnte sich der Thränen nicht enthalten. Wir wurden nicht durch Billette einquartirt, sondern jeder nahm den ersten besten mit zu Hause, was das Herz wünschte wurde gegeben. Ich kam beim alten Dichter Klamer Schmidt. Seine Frau, die Louise, die Vater Gleim so oft besungen, und seine Tochter Henriette, ein 22-jähriges schönes vortreffliches Mädchen, beide Dichterinnen schufen mir den Himmel auf Erden. Am Abend war Ball, wir mußten zusammentreten und wurden von den Frauen und Mädchen mit Lorbeerkränzen bekränzt dann trat ein Trupp Barden auf in altdeutscher Tracht und stimmte Siegeslieder vom alten Gleim und Danklieder des geretteten Vaterlandes an. Der Ball begann, wir ladeten nicht zum Tanze auf sondern die Frauen und Mädchen forderten uns auf, so wurde denn auch jeder Tänzer von seinem Mädchen bewirthet, ein fröhliches Gemisch, dort eilte eine dem alten Schnurbart eine Pfeife Knaster zu stopfen und anzuzünden, hier kam eine mit auserlesenen Weinen, Punsch, Bischof, Cardinal, Champagner, - es war nicht möglich regulaer am Tisch zu essen, das beste Essen wurde von den Mädchen ihren Rittern gebracht, und wie alte Bekannte aßen beide von einem Teller, mit einem Messer und Gabel.

Mit einem male öffnete sich die Decke des Saales, Germania umschwebt mit dem preußischen Adler stieg herab in beiden Händen eine Rolle Papier, auf der einen standen die Namen der für König und Vaterland gebliebenen Helden. Es erschien ein Zug in tiefer Trauer gehüllter Mädchen, mit einer himmlischen Musik, eine trat hervor nahm die eine Rolle las die Namen der gebliebenen Helden ab und führte mit kurzen Worten an, was sie für König und Vaterland gethan, dann bekränzten alle diese Rolle mit Eichenlaub und Immergrün. Nachdem diese sich entfernt trat wieder ein Zug fröhlicher Mädchen auf, eine nahm die andere Rolle, nannte die noch lebenden Helden und ihre Siege und Thaten. Ein lautes Vivat erscholl, die Musik fiel ein, und dorthin flog jedes Mädchen wieder mit ihrem Auserlesenen zum fröhlichen Walzer.

Es wurde die ganze Nacht nichts als Rußisch und Teutsch getanzt, d. h. eine Art Polonaise und Walzer. Am andern Abend war Freimaurerloge, wozu alle Officiere, die Maurer waren, eingeladen wurden, eine fröhliche Tafellage beschloß diese Feier. Am dritten Tage gab die Bürgerschaft dem Officierscorps ein prächtiges Diner auf dem Rathause, und so war ich alle Abend in Gesellschaft wenn ich nicht vor Magdeburg auf Comando war.

Jenseits des Rheins wird man uns wohl wieder mit Kanonenkugeln bewirthen. Erfreuen Sie bald mit einer gütigen Antwort Ihren gehorsamen Sie über alles ehrenden Sohn

F. A. von Davier

Königl. Preußischer Premier-Lieutenant
im Corps des Königl. Major von Hellwig


Siehe auch:
Dr. Martin Hentrich: Die Befreiung Halberstadts 1813
aus der Zeitschrift "Zwischen Harz und Bruch", Heft 47 (Juni 2007)


Kurz nach Empfang vorstehenden Briefes, kam im nachstehenden schon die Trauerbotschaft seines Todes. Sie lautete:
 

Ew. Hochwohlgeboren muß ich im Namen des Herrn Major von Hellwig die pflichtgemäße Anzeige machen, daß Ihr Herr Sohn der brave und von uns allen geliebte Lieutenant von Davier am 7. dieses Monats in einem bei Groot-Sundert mit den Franzosen vorgefallenen Gefechte in den Unterleib geschossen und sogleich nach Breda transportiert worden ist wo er in der darauffolgenden Nacht den rühmlichen Tod für die erhabene Sache aller redlich Gesinnten, sanft und ruhig mit aller Ruhe und Hingebung starb. Ich war noch die letzten Augenblicke bei ihm und er trug mir ganz besonders auf, Sie zu bitten, daß Sie für sein hinterlassenes Kind, welches sich, soviel ich verstehen konnte, in einer Pension in Zerbst befinden soll, Sorge tragen mögen. Ich bin überzeugt, daß Sie nicht blos als Mann dieses traurige Ereignis ertragen, sondern auch die letzte Bitte Ihres sterbenden Sohnes erfüllen werden. Die ganze aus einer Menge von allerlei Truppen bestehende Garnison von Breda und der comandierende General-Lieutenant von Bülow selbst begleiteten den Verstorbenen auf das Glänzendste zu seiner Ruhestätte. Genehmigen Sie die Versicherung meiner innigsten Theilnahme sowie der vollkommensten Hochachtung von

Ew. Hochwohlgeboren gehorsamster Diener
von Hoym
Lieutenant und Adjutant des von Hellwig
Marschquartier Fielburg bei Breda, den 16. Januar 1814


Nicht datierter alter Zusatz zum überlieferten Brief mit teilweise falschen Angaben, so wurde Oldenburg erst nach dem Wiener Kongreß Großherzogtum, F. A. studierte nicht in Jever, sondern in Erlangen die Rechte, seine Frau war nicht adlig, der Baueraufstand war nicht 1812, sondern März 1813 und wurde von oldenburgischen Baueren iniziiert, nicht von Rüstringer und Wangerländern, wohin sich das Aufstandsgebiet auch nicht erstreckte, genausowenig wie nach Jever:

Dieser Friedrich August von Davier, ältester Sohn des Christian Friedrich von Davier, Geheimrath, General-Brigadier und Oberst, geboren zu Jever, Großherzogthum Oldenburg, hatte in Jever die Rechte studiert und wurde nach wohlbestandenem Staats-Examen als Advocat und Notar in Jever angestellt. Er war verheiratet mit Allmuthe Siefken von Siebelsburg und zeugte mit ihr einen Sohn mit Namen Louis Ernst von Davier. Nach dem Tode seiner Gattin quittierte er den Staatsdienst da er die Unterdrückung seines Vaterlandes durch die Franzosen nicht mehr ertragen konnte und brachte 1812 einen Bauern-Aufstand zu Wege bei welchem er sich an die Spitze der Rüstringer und Wangerländer stellte. Er bezweckte hierdurch zwar den sofortigen Abzug der Franzosen von Jever, aber leider nur auf sehr kurze Zeit, denn schon nach einigen Tagen kehrten dieselben mit verdoppelter Macht zurück. Nur die schleunigste Flucht rettete ihn, sonst hätte er das Schicksal der Herren von Finke und von Berger getheilt, die beide erschoßen wurden. Sein Todesurtheil war ausgesprochen seine Güter eingezogen und öffentliche Anschläge erklärten ihn für vogelfrei. Darauf trat er unter den Namen Teutschmann als gemeiner schwarzer Husar in Preußische Dienste. Er ist auf dem Felde der Ehre geblieben den 7. Jan. 1814. Vorstehender Brief den er von Münster aus an seinen (Pflege-)Vater geschrieben ist wörtlich wiedergegeben.

 
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