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Chronik von HalberstadtAuszug aus:
Pastor Johann Georg Arndt (1863 - 1939)
Chronik von Halberstadt von 1801 - 1850
Halberstadt 1908, Seite 42 ff.


[1813]
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    Aus Besorgnis vor den umherstreifenden Kosacken wurden am 29. Mai die Tore der Stadt geschlossen, und bereits am 30. Mai 1813 erschien Czernitschef mit seinen Kosacken und russischen Dragonern, etwa 1000 Mann stark, vor der Stadt. Während in der Morgendämmerung einzelne seiner leichten Schar die Stadt umschwärmten und hier und da in die Tore ritten, umritt er selbst mit dem Hauptkorps die Abendseite der Mauern und griff darauf vor dem Burcharditore das starke Viereck von Kanonen so unerschrocken und ungestüm an, daß er, das Auffliegen einiger Pulverwagen schnell benutzend, 14 Kanonen und 80 Munitionswagen erbeutete. Das Heu- und Strohmagazin wurde in Brand gesteckt und einige Franzosen, die sich darin versteckt hatten, verbrannten. Morgens um 9 Uhr jagte der Befehlshaber der dritten Militärdivision General Ochs mit 40 Gendarmen und 80 Invaliden durch das Johannistor über den Holzmarkt durch den Brotscharren über den Fischmarkt durch das Kühlingertor nach Wegeleben zu; aber die Kosacken waren den Fliehenden so auf den Fersen, daß sie die letzten mit ihren Lanzen erreichen konnten. Viele sanken durchstoßen von ihren Pferden und auf dem Galgenplane vor dem Kühlingertore wurden die Franzosen so rasch umzingelt, daß General Ochs sich gefangen geben mußte und der Rest seiner Leute das Gewehr streckte.

    Das Exerzierhaus enthielt reiche Vorräte in vielen Kisten mit Militär-Effekten, Mehl und Schiffszwieback, welche dem Volke von den Siegern freigegeben wurden. Nachmittags um 1 Uhr versammelten sich die Kosacken und Dragoner vor dem Breitentore, wohin ihnen das Mittagessen gebracht werden mußte, das sie auf dem Pferde sitzend verzehrten. Eine halbe Stunde darauf ritt eine Abteilung französischer Lanziers von Braunschweig kommend im Trabe um die Stadt und verfolgte die Kosacken auf dem Wege nach Wegeleben. Letztere machten sofort kehrt und zwangen die Franzosen, sich auf Halberstadt zurückzuziehen; einige Wagen voll Verwundeter, die sie mitbrachten, wurden in das Lazarett auf dem Burchardikloster geschafft. Mittags traf die Nachricht ein, daß unter dem Oberkommando von Stinze 16.000 Mann von Braunschweig gegen Halberstadt anrücken; aber Czernitschef wußte diese Schar mit einigen Kosacken-Pulks einen ganzen Tag aufzuhalten, bis er Zeit gewonnen hatte,  seine stattliche Beute in Sicherheit zu bringen. Auch ein französisches Infanterie-Regiment rückte nachmittags ein und lagerte auf dem Domplatz und unter dem Zwicken. Die Soldaten waren gänzlich ermattet und lagen auf der bloßen Erde; sie wurden nicht einquartiert und marschierten in der Nacht wieder zurück. Sie hatten 80 Pulverwagen mitgebracht und auf dem Fischmarkt aufgestellt, wodurch die Stadt in große Gefahr kam. Die Pulverwagen fuhren in der Nacht fort, nachdem ihre Räder mit Stroh und Lappen umwunden waren. Am 31. Mai wurden die auf dem Anger getöteten Franzosen begraben. Zwei Kosacken, welche bei dem Gefecht auf dem Anger geblieben, fanden neben dem Garten des Braunschweiger Chausseehauses ihre Ruhestätte. An der Ostseite des Grabhügels steht ein Stein, der von den hier ruhenden Kriegern Kunde gibt. In derselben Nacht erschien hier Theodor Körner mit vier reitenden freiwilligen Jägern vom Lützow'schen Korps, um sich bei dem Kommerzienrat Sußmann einen Wechsel zahlen zu lassen.

    Am 1. und 2. Juni kamen mehrere Kosacken-Datachements durch die Stadt und am 18. Juni langte Jérôme hier an, nahm in der sogenannten neuen Präfektur (Domdechanei) Wohnung, ließ sich am folgenden Tage die Behörden vorstellen und reiste am 21. Juni nach Halle a. S. weiter, nachdem er der Stadt mehrere Geschenke gemacht hatte, u. a. die alte Präfektur, die zum Stadthaus eingerichtet wurde. Der König ritt jeden Abend spazieren und ließ sich vom Oberst Melzheimer auch die Stelle zeigen, wo die Kosacken die Kanonen genommen hatten.

    Am 3. Juli kam General Vandamme hier an.

    Am 24. September zog ein Korps Kosacken, etwa 500 Mann, unter Anführung des Obersten v. Löwenstern durch die Stadt, lagerte auf dem Burchardianger und marschierte am 26. weiter. Die Ankunft von 14 Mann preußischer Landwehr am 27. September rief unter dem Volke großen Jubel hervor. Sie hielten mit ihren Pferden auf dem Holzmarkte und wurden mit Speisen und Getränken aufs freundlichste bewirtet.

    Am 6. und 14. Oktober kamen kleinere Abteilungen zu 30 Mann Kosacken, ritten aber bald wieder fort.

    Am 18. Oktober langte Czernitschef abermals mit seinen Kosacken an, lagerte vor dem Harslebertore und führte den Maire Cunow mit sich fort.

    Anfang Oktober waren zwei Offiziere von der Lützow'schen Freischar im Auftrage des Hauptmanns v. Wulffen hierher gekommen, mit Namen Rand und Normann, in der Absicht, Freiwillige zu sammeln. Jüngere und ältere entschlossene Männer ließen sich anwerben und hätten bald in großer Anzahl dem Feinde entgegengeführt werden können, wenn es nicht an Pferden und Equipierung gefehlt hätte. In dieser Zeit erfuhr man, daß französische Reiter in (Groß-)Oschersleben brandschatzten. Sofort ritten die kühnen Offiziere mit 50 Freiwilligen, größtenteils wie Kosacken gekleidet auf geliehenen Pferden nach Oschersleben und sprengten in die Straßen, als die Franzosen auch schon die Flucht ergriffen. Die kleine Schar kam mit 30 erbeuteten Pferden siegestrunken zurück. Als das v. Wulffen'sche Freikorps vollzählig war, bestand es aus 400 Mann zu Fuß und 70 Berittenen. Die hiesige Freimaurerloge hatte die Bedürftigen einkleiden lassen und vermittelt, daß sie auch Waffen erhielten.

    Nach der Völker-Schlacht bei Leipzig und dem Siege der Verbündeten über Napoleon rückte am 29. Oktober Major Hellwig mit preußischen Truppen hier ein und nahm im Namen des Königs von dem Lande Besitz. Hellwig war der Sohn eines am Karolineum zu Braunschweig angestellten Professors und Hofrats und war aus Vorliebe für das Heer als Husar in preußische Dienste getreten. Der König hatte ihm gestattet, eine Freischar ins Feld zu stellen, für welche die 3. und 4. Schwadron des zweiten schlesischen Husaren-Regiments den Stamm bildete, nachdem die beiden ersten Schwadronen im Feldzug gegen Rußland 1812 fast aufgelöst waren. Zu diesen Husaren gesellte sich im Laufe des Feldzugs eine tüchtige Schar reitender Jäger und ein Detachement freiwilliger Büchsenjäger, junges kriegslustiges Volk, und außerdem ein ungefähr 800 Mann starkes, aus vier Kompagnien bestehendes Bataillon Fußvolk, das größtenteils aus westfälischen und anderen Gefangenen bestand. Einer der Hauptleute hieß Kilburger, ein geborener Halberstädter, der in dem Gefecht bei Louvain fiel. Als sich die Freischar der Stadt näherte, eilten ihr Tausende nach Blankenburg entgegen, um sie schon vor ihrem Einzuge zu begrüßen. Am 29. Oktober rückte diese Schar unter lautem Jubel in die Stadt ein. Vor dem Johannistor wurde dem Major Hellwig ein Lorbeerkranz überreicht. Das Volk begann mit den Glocken aller Kirchen zu läuten, um den Einzug noch feierlicher zu gestalten. Unter dem Geläut der Glocken bewegte sich der Zug nach dem Markte, die Straßen waren mit Sand und Herbstblumen bestreut. Über der Accise am Holzmarkt wurde der preußische Adler sichtbar und der Jubel des Volkes klang in einem Choral aus, welcher der Dankbarkeit gegen Gott und der Liebe zum Vaterland und Herrscherhause Ausdruck gab. - Aus allen Ständen, in den verschiedensten Lebensaltern eilten Freiwillige herbei und das Hellwig'sche Korps wuchs mit jedem Tage. Erst am 7. November wurde in allen Kirchen das Dankfest für den glorreichen Sieg bei Leipzig gefeiert.

    Zur Aufnahme des Militärgouverneurs General v. Krusemarck wurde im November die v. Spiegel'sche Kurie eingerichtet; doch wurde an seiner Stelle der frühere Oberst v. Ebra Militärgouverneur, der die Domdechanei (sogenannte neue Präfektur) als seine Wohnung bezog.

    Zum Besten der Freiwilligen gab die Singakademie am 22. November ein patriotisches Konzert am "Goldenen Engel" (Bär gehörig), bei dem auch Major Hellwig zugegen war.

    Am 25. November kamen 100 Mann Baschkiren, mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, hier an.

    Am 30. November wurden ein Teil des Magdeburger Gebiets und andere Länderteile vorläufig dem Ziviltribunal zu Halberstadt überwiesen.

    In den Tagen vom 5. bis 7. Dezember wurde das Militärgouvernement der Provinz zwischen Elbe und Weser von Halle nach Halberstadt verlegt.

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