Proclamation an die Deutschen
Indem Rußlands
siegreiche Krieger, begleitet von denen Sr. Majestät des Königs von Preußen, Ihres
Bundesgenossen, in Deutschland auftreten, kündigen Se. Majestät der Kaiser von Rußland und Se.
Majestät der König von Preußen den Fürsten und Völkern Deutschlands die
Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit an. Sie kommen nur in der
Absicht, ihnen diese entwendeten, aber unveräußerlichen Stammgüter der
Völker wieder erringen zu helfen, und der Wiedergeburt eines
ehrwürdigen Reiches mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu leisten.
Nur dieser große, über jede Selbstflucht und deßhalb Ihrer Majestäten
allein würdige Zweck ist es, der das Vordringen Ihrer Heere gebietet
und leitet.
Diese
unter den Augen beider Monarchen von ihrem Feldherrn geführten Heere
vertrauen auf einen waltenden gerechten Gott, und hoffen vollenden zu
dürfen für die ganze Welt, und unwiderruflich für Deutschland, was sie
für sich selbst zur Abwendung des schmachvollen Joches so rühmlich
begonnen. Voll von dieser Begeisterung rücken sie heran. Ihre Losung
ist: Ehre und Freiheit!
Möge jeder Deutsche, der des Namens noch würdig seyn
will, rasch und kräftig sich anschließen; möge Jeder, er sey
Fürst, er sey Edler, oder er stehe in den Reihen der
Männer des Volks, den Befreiungsplänen Rußlands und
Preußens beitreten, mit Herz
und Sinn, mit Gut und Blut, mit Leib und Leben. Diese
Gesinnung, diesen Eifer glauben Ihre Majestäten nach dem
Geiste, welcher Rußlands Siege über die zurückwankende
Weltherrschaft so deutlich bezeichnet, von jedem Deutschen mit Recht
erwarten zu dürfen.
Und
so fordern sie denn treues Mitwirken, besonders von jedem deutschen
Fürsten, und wollen dabei gern voraussetzen, daß sich keiner finden
werde unter ihnen, der, indem er der deutschen Sache abtrünnig seyn und
bleiben will, sich reif zeige der verdienten Vernichtung durch die
Kraft der öffentlichen Meinung und durch die Macht gerechter Waffen.
Der
Rheinbund, diese trügerische Fessel, mit welcher der Allentzweyende das
erst zertrümmerte Deutschland, selbst mit Beseitigung des
alten Namens, neu umschlang, kann als Wirkung fremden Zwanges und als
Werkzeug fremden Einflusses länger nicht geduldet werden.
Vielmehr
glauben Ihre Majestäten einem längst gehegten, nur mühsam noch in
beklommener Brust zurückgehaltenen allgemeinen Volkswunsche zu
begegnen, wenn sie erklären, daß die Auflösung dieses Vereins nicht
anders als in ihren bestimmten Absichten liegen könne.
Hiemit
ist zugleich das Verhältniß ausgesprochen, in welchem Se. Majestät der
Kaiser aller Reußen zum wiedergeborenen Deutschland und zu seiner
Verfassung stehen wollen. Es kann dieß, da Sie den fremden Einfluß
vernichtet zu sehen wünschen, kein anderes seyn, als
eine schützende Hand über ein Werk zu
halten, dessen Gestaltung ganz allein den Fürsten und Völkern
Deutschlands anheim gestellt bleiben soll. Je schärfer in seinen
Grundzügen und Umrissen dies Werk herantreten wird
aus dem ureignen Geiste des deutschen Volkes, desto
verjüngter, lebenskräftiger, und in Einheit gehaltener, wird
Deutschland wieder unter Europens Völkern erscheinen können.
Uebrigens
werden Se. Majestät nebst Ihrem Bundesgenossen, mit dem Sie in den hier
dargelegten Gesinnungen und Ansichten vollkommen einverstanden sind,
dem schönen Zwecke der Befreiung Deutschlands vom fremden Joche Ihre
höchsten Anstrengungen jederzeit gewidmet seyn lassen.
Frankreich,
schön und stark durch sich selbst, beschäftige sich fernerhin mit der
Beförderung seiner inneren Glückseligkeit! Keine äußere Macht wird
diese stören wollen, keine feindliche Unternehmung wird gegen seine
rechtmäßigen Gränzen gerichtet werden.
Aber
Frankreich wisse, daß die andern Mächte eine fortdauernde Ruhe für ihre
Völker zu erobern trachten, und nicht eher die Waffen niederlegen
werden, bis der Grund zu der Unabhängigkeit aller Staaten von Europa
festgesetzt und gesichert seyn wird.
Gegeben im Hauptquartier zu Kalisch, den
13./25. März 1813.
Im Namen Sr. Maj. des Kaisers
und Selbstherrschers aller Reußen, und Sr. Maj. des Königs der Preußen:
Fürst
Kutusow-Smolenskoi,
General-Feldmarschall und oberster Befehlshaber der verbündeten Heere.
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