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Auszug aus: [ Band 4, Seite 303 ff. ] H.
F. W. Perizonius: ... Betrachten
wir jetzt die nächsten Wirkungen, welche das allmähliche Vordringen der
Verbündeten auf den Geist der Bewohner des Ostems-Departements
hervorbrachten. Trotz aller Wachsamkeit der Franzosen und ungeachtet
aller Furcht vor der gehässigen geheimen Spionage fanden die Aufrufe, Proclamationen, Armeeberichte
u. s. w. seitens der Verbündeten immer
mehr Verbreitung und freudigere Aufnahme. Man erfuhr, daß die Russen,
durch den preußischen General
York nicht aufgehalten,
immer weiter nach
Westen vorrückten, daß sie am 5. Januar 1813 Königsberg, am 4. März
Berlin und am 17. März Hamburg besetzt hatten. Man wußte, daß York's
Sieg über den Vicekönig Eugen bei Möckern unweit Magdeburg, 5. April,
das ganze rechte Elbufer bis auf die Festungen befreit hatte. Alle
Drohungen, alle offiziellen Lügen, alle prahlerischen Bülletins
vermochten schon bald nicht mehr ihre Absicht zu erreichen, die
Gemüther durch Furcht, durch den Glauben an die Unbesieglichkeit der
französischen Waffen in Unterwürfigkeit zu erhalten. Sobald sich
irgendwelche Aussicht auf Erfolg zeigte, mußte der Drang nach Abwerfung
des verhaßten Joches zum Durchbruch kommen.
Mit welch
furchtbarer Strenge übrigens die Franzosen jeden Durchbruch
deutscher Gesinnung niederzutreten bedacht waren, zeigte sich schon
bald im Oldenburgischen, woselbst Vandamme
im Auftrag Davoust's
nach
stattgehabten unruhigen Volksbewegungen zwei treffliche Männer, Finkh
und Berger, am 10.
April zum Tode verurtheilen ließ und zugleich den
Befehl gab, Lilienthal niederzubrennen. Schon vorher, am 21. März,
rückte eine Schar oldenburgischer Landleute in Friedeburg ein, welche
die Befreiung Oldenburgs vom französischen Joche verkündeten und einen
Zuzug von 5000 Bauern nebst russischen Truppen unter Anführung des Grafen von Bentink
verhießen. In Friedeburg wurden die Sturmglocken
geläutet, die Douanen verjagt, die Enregistrements vernichtet; dann zog
der Haufen, aus Marx und Etzel verstärkt, nach Repsholt, nahm das
französische Wappen ab, vernichtete die auf dem Büreaux befindlichen
Papiere und verbreitete den Aufstand wiederum das Sturmgeläute. Rasch
schritt derselbe nunmehr fort: die von Repsholt brachten ihn nach
Leerhave, die Leerhaver nach Wittmund, die Wittmunder nach Burhave und
Butforde, die Einwohner dieser beider Ortschaften führten ihn denen von
Dunum, Stedesdorf und Esens zu und so ging's fort unter Sturmgeläute
von Mairie zu Mairie, doch ohne daß Blut dabei vergossen wurde, bis es
am 24. März bei Rispel zu einem Scharmützel zwischen Gendarmen, Douanen
und Aufständigen kam, in welchem fünf Bauern fielen und die übrigen
zersprengt wurden.
Man
begnügte sich bis dahin mit der Vertilgung französischer Wappen u.
s. f., schlug den preußischen Adler wieder an und nahm einen Trupp von
zwanzig flüchtigen Douanen gefangen, deren Waffen eine willkommene
Beute waren. Nach dem erwähnten Scharmützel bei Rispel hörte jedoch der
Aufstand wieder auf, da der verheißene oldenburger Zuzug ausblieb.
Außer Friedeburg, Wittmund und Esens hatte Ostfriesland sich nicht an
der Revolte betheiligt. Dennoch wurden viele französische Beamten so
sehr von Furcht ergriffen, daß sie mit ihren Habseligkeiten nach
Holland flohen, eine Feigheit, die manchem unter ihnen seine Stelle
kostete. Der Belagerungszustand der Stadt Aurich wurde wieder
aufgehoben, die aufgestellten Piquets wurden wieder eingezogen, als
sich am 25. März die Nachricht verbreitete, daß der Tumult aufgehört
habe. Der Präfect begab sich selbst mit starker militairischer
Begleitung nach Esens und Wittmund.
Uebrigens
sind diese Aufläufe im Ostems-Departement sehr glimpflich bestraft. Es ist nur ein
Todesurtheil in cont.
ausgesprochen;
einige Theilnehmer sind zu einigen Jahren Zuchthausstrafe und Pranger,
und einige Ortschaften, z. B. Esens, zu Schadenersatz verurtheilt
worden. Die noch nicht vollendeten Untersuchungen wurden bei Annäherung
der Verbündeten in Groningen abgebrochen.
Hätten
diese Untersuchungen nicht gerade in Groningen, dem Hauptort der
einunddreißigsten Militair-Division stattgefunden, wären sie, als der
zweiunddreißigsten Militair-Division zuständig, vor den Richterstuhl
jenes Wütherichs, des Fluches der Hamburger, Davoust's und seines
gleichgesinnten Genossen, Vandamme's,
gezogen, so hätte dem
Ostems-Departement ein schreckliches Los vorgestanden. General Janssen
in Groningen und Präfect Jeannesson haben sich damals auch recht
anerkennenswerthe Verdienste um das Departement der Ostems erworben. Im
ganzen Oberems-Departement hatte nichts stattgefunden, was auch nur vor
dem Richterstuhle Davoust's hätte strafbar erscheinen können, als daß
in Papenburg einige Matrosen einen Auflauf erregt hatten; dennoch wurde
am 10. April nebst der ganzen zweiunddreißgsten Militair-Division,
Hamburg, Bremen und Osnabrück, außer dem Gesetze erklärt und dadurch
der empfindlichsten Plackerei, der schonungslosesten Willkür der
französischen Behörden überliefert. So wurde z. B. unter andern die
Grafschaft Lingen auch mit dazu verurtheilt, Magdeburg und Wittenberg
zu verproviantieren und zwar nicht etwa dadurch, daß sie die Kosten
dazu trug, sondern dadurch, daß sie sämtliche ausgeschriebenen
Gegenstände von Lingen aus per Achse an die Elbe lieferte! Kehrten auch
noch die unglücklichen, zu Fuhrleuten bestimmten, Bauern wieder, so
ließen sie doch meist Roß und Wagen zurück.
Mit solch
raffinierten Bosheiten sollte es aber nunmehr bald zu Ende
gehen: Napoleon's
Uhr war abgelaufen und mit der Franzosenherrschaft in
Deutschland war es aus, bleibt es aus, hoffentlich bis an das Ende
aller Tage!
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