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Auszug aus:                [ Teil 1 ]    [ Teil 2 ]

Harry Pladies:

Ostfriesland zur Zeit Napoleons (Die Leuchtboje, Heft 19, Leer o. J.)

Wie sich NAPOLEONS FELDZUG nach RUSSLAND auf OSTFRIESLAND auswirkte

Das Jahr 1812 begann. Neue große Auseinandersetzungen in Europa bahnten sich an. In allen Teilen des Kaiserreiches wurden wiederum viele tausend Männer eingezogen, darunter auch 1131 Ostfriesen.

Auf den Ostfriesischen Inseln errichteten die Franzosen Befestigungen, denn sie befürchteten eine Landung der Engländer, die mit ihren Schiffen vor der Emsmündung und den Inseln kreuzten. In den Wäldern wurden Bäume gefällt, und Bauern transportierten die Stämme auf Fuhrwerken nach den Sielorten. Von dort beförderten Schiffe das Holz auf die Inseln. Auf Borkum entstand eine Schanze. Pallisaden umgaben die Kirche von Juist, in deren Mauern Schieß scharten geschlagen wurden. Soldaten besetzten auch die anderen Inseln.

Während das Leben in Ostfriesland still und friedlich verlief, begann im Juni 1812 der Marsch der "Großen Armee" in die unendlichen Weiten Rußlands. Um Unruhen in der Bevölkerung vorzubeugen, sollten die Ostfriesen auf Befehl des Präfekten alle noch vorhandenen Waffen abliefern. Nur in der Familie, im vertrauten Freundeskreis sprach man von seinen Sorgen um den Mann, den Sohn, den Bruder, den Freund, der bei der französischen Armee irgendwo in Rußland diente.

Es gab keine Postverbindungen. (Doch, es gab Feldpostverbindungen! Siehe: Rolf-Dieter Wruck, Portotaxen und Stempel der GRANDE-ARMEE 1805-1813. o.O. 1995). Die Nachrichten aus dem Kaiserlichen Hauptquartier, die in der Wochenzeitung erschienen, waren meistens schon vier Wochen alt. Im Oktober berichtete die Zeitung über den Brand von Moskau.

Aber erst im Dezember erfuhr die Bevölkerung von dem begonnenen Rückzug, von der großen Kälte und den schweren Mühsalen, denen die zurückflutenden Truppen ausgesetzt waren. Von der grausamen Wirklichkeit meldete die Zeitung nichts. Was sich tatsächlich in Rußland abspielte, schildert der ostfriesische Graf Carl von Wedel, der als Offizier am Feldzug gegen Rußland teilnahm.

"Vielen ging die körperliche Kraft aus. Es war ein herzzerreißender Anblick, die zum Tode Müden straucheln und wankenden Schrittes wie Betrunkene taumeln, dann niederfallen und vergebliche Versuche machen zu sehen, wieder aufzustehen. Tausende und Abertausende habe ich so wanken und fallen sehen, die dann die Vor überziehenden mit herzzerreißendem Jammergeschrei um Hilfe, um Brot oder um einen Schluck Branntwein an flehten. Der einzige Liebesdienst, den man ihnen erweisen konnte, war, sie vom Wege abzuziehen und zur Seite zu legen, damit sie sicher vor den Tritten der Pferde und Menschen und den Rädern der Fuhrwerke in Ruhe sterben konnten. Aber auch dies ging nicht länger, da der Elenden zu viele waren. Man mußte sein Ohr dem Jammergeschrei verschließen. Hilfe war nicht möglich.

Am 4. November wurde der bis dahin helle Himmel düster. Schwere Wolken, vom Winde schnell vorüber getrieben, entluden sich in einem wirbelnden Schneegestöber. In den nächsten Tagen fuhr es fort, abwechselnd zu schneien, und bei eisigem Nordwinde bedeckte sich die Erde fußhoch mit Schnee. Der Weg war so glatt, daß die Pferde sich nur mit Mühe aufrecht hielten.

Der Verlust an diesem Tage war entsetzlich. Die Wege waren mit toten und sterbenden Menschen und Pferden bedeckt. Verlassene Kanonen, Pulver- und Bagagewagen standen in Massen. Das Jammergeschrei der Nieder gesunkenen war gräßlich, traf aber kein mitleidiges Ohr. Vielmehr wurden die Ermüdeten von den eigenen Kameraden ihrer Kleidungsstücke, ihres Geldes beraubt.

Wer einen Sterbenden mit einem Stück Brot, mit einem Trunk aus der Flasche hätte retten können, tat es nicht, denn an dem Stück Brot, an dem Schluck Branntwein hing seine eigene Existenz. Wer davon weggab, gab einen Teil seines Lebens.

Bei Aufbruch aus dem Biwak blieben Massen Erstarrter liegen, um die sich niemand kümmerte. Jeder eilte von ihnen weg, nur um weiterzukommen. Freundschaft, Liebe, Mitleid, Barmherzigkeit waren in den Herzen gestorben."

Erst viel später gelangten Nachrichten über die Vernichtung der französischen Armee nach Ostfriesland. Der Präfekt warnte die Bevölkerung, sich gegen die französischen Behörden aufzulehnen. Aber selbst die Androhung schwerer Strafen konnte neue Unruhen in einem Teil der Provinz nicht verhindern. Nach der Eroberung Hamburgs durch russische Truppen verbreiteten sich rasch Gerüchte über deren Vormarsch. Im Oldenburgischen brach ein Aufstand los.

Am 21. März 1813 rückte eine große Schar oldenburgischer Bauern in Friedeburg ein. Sie verkündeten die Befreiung von der französischen Herrschaft. Im Ort wurden die Sturmglocken geläutet, französische Wappen und Schilder zerschlagen. Die Einheimischen bewaffneten sich. Rasch breitete sich der Aufstand aus: von Friedeburg nach Reepsholt, von hier nach Leerhafe, nach Burhafe und Buttforde, von diesen Ortschaften nach Dunum, Stedesdorf und Esens. Die französischen Beamten suchten in Aurich Schutz.

Der Präfekt holte Verstärkung aus Groningen heran und zog mit allen verfügbaren Truppen nach Esens und Wittmund. Bei Rispel kam es zu einem Gefecht zwischen Franzosen und Aufständischen. Fünf Bauern fanden dabei den Tod. Nach diesem bewaffneten Zusammenstoß hörten die Unruhen auf.

17 Teilnehmer an dem Aufstand kamen vor ein Kriegsgericht. Sie erhielten schwere Zuchthaus- und Gefängnisstrafen. Der geflohene Notar Friedrich August von Davier aus Neustadtgödens wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Napoleon hatte seine geschlagene Armee während des Rückmarsches aus Rußland im Stich gelassen. Im Dezember 1812 traf er wieder in Paris ein und begann sofort, eine neue Armee aufzubauen. Alle Provinzen des Kaiserreiches mußten insgesamt 40 000 Pferde abgeben. Davon stellte Ostfriesland allein 622 Pferde und zusätzlich noch 20 voll ausgerüstete und eingekleidete Reiter. Der Kaiser brauchte nicht nur Pferde, sondern vor allem Soldaten, 350 000 Mann. 632 Ostfriesen wurden eingezogen. Vielen von ihnen gelang jedoch die Flucht.

Es gab aber auch Ostfriesen, die sich zur gleichen Zeit freiwillig zur Kaiserlichen Ehrengarde meldeten. 27 Söhne von Kaufleuten und Beamten der französischen Verwaltung bewarben sich um die Aufnahme. Einige Namen dieser Freiwilligen sind uns noch heute bekannt.

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Zitiert nach:
http://www.rhaude.de/napoleon/mititaer/napoleon.htm


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