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Faksimile "Ostfriesische geschichte" Auszug aus:         [ §7  §8  §9  §10  §11  §12  §13  §14 ]

Tileman Dothias Wiarda:
Ostfriesische Geschichte
Zehnter Band, Zweite Abtheilung.
Leer 1817

....    [ Das Jahr 1813 ]

Fünftes Buch, Sechster Abschnitt

§ 10

Daß bei diesem Insurrectionskreuzuge vielfacher Unfug ausgeübt worden, läßt sich leicht erachten. Ich enthalte mich, die näheren Umstände davon bei jeder Commune anzuführen, und bemerke nur überhaupt, daß überall, wo der Zug hingekommen, die Sturmglocken geläutet, die französischen Wappen und die schwarzen Bretter vor den Mairiehäusern zerschlagen und die dreifarbigen Fahnen zerrissen worden. Die Mairen, welche den Befehlen der Aufrührer nicht sogleich Folge leisten wollten, waren vielen Mishandlungen ausgesetzt, so wie unter andern dem Maire von Stedesdorf seine rothe Amtsschärpe von dem Leibe gerissen und der Maire in Witmund gezwungen wurde, seine Entlassung zu nehmen. Auch waren selbst die Prediger vor Mishandlungen nicht gesichert. Davon nur folgendes Beispiel. Die Butforder bauern führten, wie sie ihren Einzug in Stedesdorf hielten, eine alte Flagge mit sich. Darauf war eine Sonne gemalt mit der Umschrift : Futura praedixit. Wie der neugierige Prediger in Stedesdorf diese Umschrift wiederholt mit lautet Stimme las: so verstanden die Bauern unter futura das von ihnen von den Franzosen so oft vernommene foudre, und glaubten, daß der Prediger sie schimpfte. Nach einer deutlichen Erklärung aber ließen sie die schon erhobenen geballten Fäuste wieder sinken. Mit Übergehung so vieler einzelner Umstände, wollen wir nun bei Esens stehen bleiben.

Am 22. März, des Abends, war man schon in Esens von einem allgemeinen Aufstand unterrichtet. Die dortigen Beamten der vereinigten Rechte, wie auch die Gensdarmes, getrauten sich nicht, länger zu bleiben; sie zogen des Morgens, am 23., ab und gingen nach Aurich. Hierauf bezogen gegen Mittag die angesehensten Einwohner, zur Erhaltung der Ruhe und Ordnung, die Wache auf dem Stadthause. Mittlerweile hörte man die weitschallende Stedesdorfer Sturmglocke. Einige nach der Gegend abgesandte berittene Bürger brachten die Nachricht zurück, daß bereits eine große Menge Bauern im Anzuge seyen. Gleich darauf fanden sich auch schon die ersten Stedesdorfer Landleute bei dem Thore ein. Diese machten bekannt, daß sie die Stadt für den König von Preußen in Besitz nehmen wollten, und ein großes Heer, unter Anführung des Grafen von Bentink, im Anzuge wäre. Sie verlangten sofort das Läuten der Glocken, das Zerschlagen des schwarzen Brettes, woran die französischen Proclamationen angeschlagen waren, das Zerreißen der dreifarbigten Flagge, und, was ihnen am mehresten am Herzen liegen mogte, das Herabsetzen des Genever- und Bierpreises.

Noch standen die Bauern vor dem Thore, wie schon der Esener Pöbel auf die Beine kam, und sogleich die Sturmglocke anschlug. Nun war der Lärm allgemein, so daß der gute Bürger nichts dagegen ausrichten konnte. Der gemeine haufe setzte sich nun mit den Bauern in Bewegung, zog nach dem Stadthause und zerriß die französische Flagge in Stücken. Nach dieser ersten Handlung setzten sie den Preis des Bieres und der starken Getränke herunter, und zerstreuten sich in den Wirthshäusern.

Sie waren schon größtenteils besoffen, wie der Hauptzug, welcher aus Burhaver, Butforder und Dunummer Bauern bestand, in Esens einrückte. Nach deren Ankunft ging es zuerst auf das Tabacksmagazin los. Dieses ward geplündert. Dann verfügten sie sich nach dem Bureau des Enregistrements, wo sie alle Bücher und Stempelpapiere zernichteten. Auch suchten sie den Receveur auf, um ihn zu mishandeln: er war aber zu seinem Glücke noch zu rechten Zeit entkommen.

Das Bureau der directen Abgaben blieb durch List und Überredung gutgesinnter Bürger noch gerettet. Dagegen wurden die Bücher und Papiere der Beamten bei den vereinigten Rechten zerrissen und vernichtet. Auch wurde die französische Inschrift vor dem Posthause ausgelöscht und dagegen ein, in Eile gemalter, schwarzer Adler wieder angeschlagen. Demnächst wurden die Schützentrommeln gerührt, und die sämmtlichen Bürger aufgeboten, dem zuge weiter vorwärts nach Ochtersum zu folgen.

An dem folgenden Morgen, den 25., ging der Zug, unter Vorantragung der Schützenfahnen und mit rührenden Trommeln, nach Ochtersum ab. Viele Bürger, die gezwungen waren, dem Zuge zu folgen, entwischten wieder unterwegs und kehrten wieder nach Esens zurück. Noch vor dem Mittage rückten die Wardumer Bauern, den gezwungenen Maire, todtenblaß an der Spitze, in Esens ein.  Diese hielten sich ziemlich ruhig und verweilten so lange in der Stadt, bis die Leute, welche in Ochtersum die Insurrection bewirken sollten, wieder zurückkamen. Diese hatten in Narp das Tabacksbureau geplündert, in Ochtersum die Mairiepapiere zerrissen, und dann die dortigen Einwohnen überredet, weiter vorwärts nach Westerholt zu ziehen. Nach diesem verrichteten Geschäfte kehrten sie ungesäumt nach Esens zurück.

Unterwegs waren sie auf einen Trupp von 18 bis 20 Douanen gestoßen, die mit Weibern und Kindern und vielem Gepäcke unter Anführung eines Douanenofficiers von Accumersyl gekommen waren und nach Aurich flüchten wollten. Diese streckten sofort die Gewehre und gaben sich, ohne Widerstand, kriegsgefangen. Mit diesen gefangenen Douanen, mit deren Waffen sie sich ausgerüstet hatten, hielten sie ihren triumphirenden Einzug in Esens. Anfänglich wollten die Aufrührer die Douanen mit sich nach Witmund schleppen, und dann sie weiter an den Grafen von Bentink, von dem sie immer noch glaubten, daß er mit einem starken Corps an der Gränze stand, abliefern. Auf Zureden ließen sie indessen die Douanen in Esens zurück.

Nachdem gegen Abend die Insurgenten die Stadt verlassen hatten, ordnete die Bürgerschaft eine Wache an, wodurch die Ruhe wieder hergestellt wurde. Inzwischen waren die zuletzt in Esens angekommenen Werdumer nach Neuharlingersyl gezogen, wo der nämliche Unfug, wie in den vorerwähnten Communen, getrieben ward. Auch die dortigen Eingesessenen wurden überredet und gezwungen, weiter nach Carolinensyl zu ziehen, um auch dort den Aufruhr zu bewirken. Hier wurde, außer den andern Bureaus, auch das Bureau der directen Abgaben vernichtet, doch ward noch die Casse durch Betrieb des Maire von Harlingen gerettet. Von Carolinensyl ist der Zug nach Funix und so weiter gegangen.

 

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