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[ Proklamation von Kalisch ]


An die Einwohner des Kurfürstenthums Hannover, des Fürstenthums Lauenburg, der freien Reichsstädte Hamburg, Lübeck und Bremen, des Gebietes von Münster. An die Einwohner der Herzogthümer Westphalen und Berg, des Fürstenthums Ostfriesland, der Grafschaft Mark und der  Herrschaften Lingen und Tecklenburg u.s.w.

Deutsche Freunde!

   Ihr wißt, was Ihr waret, und was aus Euch geworden ist. Ihr waret Deutsche; man hat Euch gezwungen, Franzosen zu werden. Oder, Ihr waret glückliche freie Bürger, und Ihr tragt jetzt die Fesseln, unter welchen das Mitgefühl der ganzen Welt eines der gebildetesten Völker Europas herabgewürdigt sieht. Aber - fasset Muth! schwer ist an den Ufern des Dniepers, der Düna und der Berezina, das Rachschwedt der göttlichen Gerechtigkeit auf das Haupt Eures Feindes, des allgemeinen Feindes der Freiheit, der Rechte der Nationen, der Unabhängigkeit Ihrer Fürsten, des Feindes jeder Bürgertugend gefallen.

   Schwer gekränkte deutsche Freunde! Die Stunde Eurer Erlösung ist nahe. Schon bringt die Eure Gebiete betretende Avantgarde meines Corps Euch meinen Gruß aus Berlin. Im engsten Bündnisse mit Preußen, England und seiner übrigen mächtigen Alliirten sendet mich Alexander der Befreier, mein siegreicher Kaiser und Herr, zu Euch, um Eure Ketten zu brechen, Euch Eure Sprache, Euch Eure theuren vorigen Verfassungen, um Euch Euch selbst wiederzugeben.

   Unwillig, sich rächend, hat das von Eurem Unterdrücker gemißbrauchte Glück, ihm plötzlich den Rücken zugewendet. Er hat eine Armee von einer halben Million geübter Krieger verloren. Er kann noch einige Haufen unglücklicher Schlachtopfer seines Ehrgeizes zusammentreiben; aber er wird keine furchtbare Armee mehr bilden. Mit mächtiger Hand hat Rußland die Binde von den Augen der Völker gerissen. Der Zauber, welcher Ihre Sinne lähmte, ist zerstört. Sie haben wieder angefangen, sich und ihre Kräfte zu würdigen; und selbst die eben so uns glückliche als geistvolle Nation beginnt erröthend es zu fühlen: daß sie jetzt als willenloses Werkzeug des ungezähmten nicht zu sättigenden Ehrgeizes eines Fremden, ihre eigne Fesseln in Länder trägt, die von ihr einst Künste und Wissenschaften erhielten.

   Brave deutsche Männer! lernt begreifen daß Ihr es selbst seyd, durch die Ihr in Euren Ketten erhalten werdet; daß Ihr um frei zu sein nicht einmal unseres Beistandes, nur Eures eigenen energischen Willens bedürftet. Nehmt die tapfern Russen als Eure Freunde, als Eure Bundesgenossen auf. Vereinigt Euch mit ihnen und den mit ihnen zu Euch kommenden Preußen, Euren Brüdern, Euren Verwandten, zu dem edelsten heiligen Zwecke, über den noch je Verträge geschlossen worden sind. Ihr aber, ihr wenigen undeutschen verächtlichen Handlanger der ihren Geist ausathmenden Tyrannei, zittert vor der Euch erwartenden göttlichen und menschlichen Rache. Wenn ich jeden in meine Hände fallenden französischen Krieger nach den liberalen Gesetzen der Kriegsgefangenschaft behandeln werde; so soll doch jeder mit den Waffen gegen sein deutsches Vaterland ergriffener Deutscher es in den entferntesten Provinzen Rußlands beweinen, gegen die Freiheit seiner Mitbürger das Schwedt gezogen zu haben.

  Im Hauptquartier zu Berlin, den 4./16. März 1813

Graf von Wittgenstein



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